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Von 2.116 auf 12.696 Fälle: Wie die Pille das Thromboserisiko verfünffacht

Im Artikel der Welt wird das Thromboserisiko durch die Einnahme der Pille als nur leicht erhöht dargestellt, was wie so oft nicht den Tatsachen entspricht. Erstmals greifen zudem zwei Neurowissenschaftler den möglichen Einfluss der Pille auf das Gehirn auf – Studien weisen darauf hin, dass es durch die Einnahme tatsächlich schrumpfen kann. Viele Risiken bleiben lange unerkannt oder werden in den Medien kaum thematisiert. Oft dauert es Jahre, bis die tatsächlichen Gefahren an die Öffentlichkeit gelangen.

Werfen wir einen Blick auf das Thromboserisiko und die Auswirkungen durch die Einnahme auf das Gehirn

Lange Zeit wurde die Pille nahezu bedenkenlos verschrieben – vielen jungen Mädchen in der Pubertät wurde sie von Gynäkologen ganz selbstverständlich wie ein Standardmedikament verordnet, vergleichbar mit den üblichen Impfungen. Aktuell titelt Die Welt: „Die Anti-Baby-Pille und das Gehirn: Was wir bisher wissen – und was nicht.“ Wie so oft gelangen pharmazeutische Produkte zunächst als vermeintlich sichere Mittel auf den Markt, bis später ein kritisches Umdenken einsetzt. Seit 1960 ist die Pille als Verhütungsmittel erhältlich – doch erst jetzt, 65 Jahre später, häufen sich die ersten kritischen Berichte in den Medien.
Seit 2023 hat das Kondom nun die Spitzenposition und löste die Pille ab. Laut Welt sind kritische Diskussionen über Nebenwirkungen wie Thrombosen und psychische Veränderungen die Ursache. Damit zeigt die Welt selbst, wie viel Verantwortung sie eigentlich tragen und diese kaum wahrnehmen.

Laut Welt greifen immer weniger Frauen zur Pille und sie fragt, ist das schlechte Image gerechtfertigt. Soviel vorweg, laut ihr wird das Thromboserisiko nur leicht erhöht, während im Vorschautext allerdings steht, dass die Risiken nicht zu vernachlässigen sind.

Gleichzeitig sind die Risiken nicht zu vernachlässigen. Die Einnahme kombinierter Östrogenpräparate erhöht das Thromboserisiko leicht – von einem Basisrisiko von zwei Thrombosen pro 10.000 Frauenjahre auf fünf bis zwölf pro 10.000 Frauenjahre. Psychische Veränderungen wie Stimmungsschwankungen oder depressive Verstimmungen treten ebenfalls bei einigen Frauen auf, besonders bei jungen Anwenderinnen. Fachleute betonen, dass die Entscheidung für oder gegen eine Pille individuell und gut informiert erfolgen sollte, unter Abwägung von Vorteilen und Risiken.

Schauen wir uns das Risiko doch einmal genauer an

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau, die nicht die Pille nimmt, eine Thrombose erleidet liegt bei 0,02% pro Jahr, wenn man die Zahlen der Welt heranzieht. Nimmt sie jedoch die Pille ein dann liegt das Risiko zwischen 0,05 – 0,12%. Überrascht hat uns die Spannweite von 5-12 bei 10.000 Frauenjahren, dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Forschung in dem Bereich auf zu wenige Daten zurückgreifen kann.

Diese Prozentzahlen mögen zunächst nach wenig klingen, allerdings gibt es in Deutschland 10.579.400 Frauen zwischen 15 und 45 Jahren – also in dem Alter in dem man in etwa die Pille einnimmt.
Würde keiner dieser Frauen die Pille nehmen, dann würden wir in einem Jahr bei diesen etwas mehr als 10 Millionen Frauen 2.116 Thrombosen erwarten. Nehmen diese jedoch alle die Pille, dann erwarten wir zwischen 5.290 und 12.696 Thrombosen. Je nach Szenario haben wir also mit der Pille mehr als 3.000 (5 Fälle pro 10.000 Frauenjahre) oder mehr als 10.000 (12 Fälle pro 10.000 Frauenjahre) Thrombose-Fälle als ohne Pille.

Das ist eine Kleinstadt, die nun auf einmal ins Krankenhaus zur Behandlung geschickt werden muss, mal davon abgesehen, dass diese Thrombosen auch Spätfolgen nach sich ziehen können.

Auch sollte man wissen, dass Frauen, die mit der Pille verhüten – diese oftmals nicht nur für ein Jahr nehmen – sondern über mehrere Jahre (ca. 25 Jahre). Das Risiko, dass in 25 Jahren ohne Pille eine Frau eine Thrombose erleidet liegt bei 0,5%, das heißt nicht einmal eine von 100 Frauen erleidet in 25 Jahren eine Thrombose – sofern sie nicht die Pille nimmt. Nimmt die Frau hingegen über 25 Jahre die Pille, dann liegt das Risiko zwischen 1,25% und 3%, das heißt mehr als 1 und bis zu 3 von 100 Frauen erleiden eine Thrombose. Dies ist von der Aussage des „leichten Risikos“ der Welt weit entfernt ist. Auch ein Kommentator bei der Welt stellt dies fest:

Auswirkungen auf das Gehirn – unerforscht

Ein weiterer Punkt, der in dem Artikel aufkommt, ist, dass die Forschung zur Wirkung der Pille auf das Gehirn lückenhaft, also unerforscht ist. Eine Neurowissenschaftlerin fand heraus, dass unter der Einnahme der Pille ihr Gehirn schrumpfte. Untersucht hat sie dies mit MRT-Aufnahmen. Nach dem Absetzen normalisierte sich dies allerdings wieder. Im Artikel wird dies mit der Schwangerschaft verglichen, bei der ein ähnlicher Prozess stattfindet. Wie bereits erwähnt heißt es anfangs in dem Artikel, dass es kaum Forschung dazu gibt, am Ende wird dies aber wieder heruntergespielt, mit den Worten dass dieses Schrumpfen des Gehirns in einem reversiblen Rahmen stattfindet.

Die Pille im Blick der Neurowissenschaften

Bisherige Forschung zur Wirkung der Pille auf das Gehirn ist lückenhaft. Zwei Neurowissenschaftlerinnen gehen dem Thema systematisch nach: Eine von ihnen untersuchte im Selbstexperiment über mehrere Monate hinweg ihr eigenes Gehirn mit MRT-Aufnahmen während des natürlichen Zyklus, unter Pilleneinnahme und danach. Dabei zeigte sich, dass das Gehirnvolumen unter Pilleneinnahme im Mittel leicht geringer war, sich nach Absetzen der Pille jedoch wieder normalisierte. Die Veränderungen wirken adaptiv und reversibel – ähnlich wie bei der Schwangerschaft, die ebenfalls das Gehirn reorganisiert.

Die zweite Studie untersucht derzeit im größeren Maßstab, wie verschiedene hormonelle Verhütungsmittel auf das Gehirn wirken. Dabei werden nicht nur Strukturen und Aktivitätsmuster, sondern auch die Vernetzung von Gehirnregionen analysiert, die für Stimmung, Kognition und psychische Stabilität entscheidend sind. Ziel ist es, besser zu verstehen, warum manche Frauen Nebenwirkungen entwickeln und andere nicht – und letztlich, wie die Verhütungsmittel individuell abgestimmt werden können.

Die Forschung steckt noch in den Anfängen, liefert aber erste Hinweise darauf, dass hormonelle Verhütungsmittel das Gehirn verändern können – allerdings in einem anpassungsfähigen und reversiblen Rahmen.

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